Piste buchen? Pustekuchen!

Winterurlaub. 7 Tage in einer Ferienwohnung. Ein großes Skigebiet. Aprés Ski.

Klingt geil?

Finde ich nicht. Ernsthaft, ich habe es wirklich versucht. JAHRE. Mit dem Snowboard. So oft wie ich auf die Nase und diverse andere Körperteile gefallen bin, grenzt es an Masochismus, dass ich trotzdem stoisch immer wieder auf dieses Brett gestiegen bin.

Ich wollte die coole Boarderin sein, die lässig über die Pisten gleitet und hier und da einen kleinen Trick einbaut. Ich find´ die Mädels wirklich extrem fly (Yeah Jugendsprache).

Ich bin aber einfach keine von ihnen. Ich bin die, die auf dem Hoppelweg für Anfänger Muffensausen hat. Ich bin die, die am Lift Beklemmungen bekommt, weil rund um meinen Kopf plötzlich nur noch Schultern und Brustkörbe sind. Ich bin die, die es hasst, in acht Millionen Schichten Klamotten gehüllt zu sein, wie ein verdammtes Michelinmännchen.

Ich habe mir Bänder überdehnt und angerissen, Muskeln geprellt, Gelenke verstaucht, Frisuren kaputtgehelmt. JAAHREEELANG. „Nimm dir doch einen Lehrer!“ Spitzentipp. Wirklich. Nur brauch ich wahrscheinlich keinen Lehrer, sondern erst mal einen Psychologen, der mir die ganzen bereits geschehenen Szenarien aus dem Kopf therapiert.

Dieses Jahr sollte nun mein finales Aufbäumen sein. Nach dem letzten Versuch habe ich mir ein kürzeres und weicheres Board und kleinere Schuhe geholt. Die Theorie: alles vorher war zu hart und zu groß. (Brett und Schuhe, Contenance bitte).
Ich bin ja nicht mal untalentiert. Ich kenne in der Theorie die meisten Techniken, hab so kräftige Muskulatur, dass ich auf der Backside quer komplette Pisten runter rutschen kann und bin auch schon Kurven gefahren, dank einem geduldigen und talentierten Freund in Lehrposition. Ich bin auch mitnichten eine Heulsuse oder jemand, der schnell aufgibt. Es konnte also nur noch am Equipment liegen.

Dieses Jahr wird also noch einmal angegriffen. Nehmt euch in Acht, ihr Laien, die neue Snowboardpro kommt.

AM ARSCH!

Vielleicht liegt es am letzten Jahr, dass ich feinere Antennen dafür bekommen habe, was mir gut tut und was ich möchte. Bereits das Anhosen hat
mich genervt. Wie kann man sich wohlfühlen mit so vielen Schichten? Ich kam mir vor wie Maggie Simpson in ihrem Sternstrampler.

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Das Anstehen für den Skipass, die Preise (!), das Anstehen am Lift, das Anschnallen des Boards … alles kein Spaß. Und dann ging´s los. B. hatte sich erbarmt, eine Abfahrt mit mir zu machen – mit jeder Menge guten Tipps im Gepäck. Nur … alles in mir wehrte sich. Gegen das Schneegestöber in meinem Gesicht. Gegen den Schweiss, der sich irgendwo unter der zwölfzigsten Schicht Klamotten bildete. Gegen das Gefangensein meiner Füße auf dem Brett, gegen die Menschen, die plötzlich links und rechts an mir vorbeisausten (Ok: Kinder. Es waren Kinder.).

Und da wurde mir klar: es ist nicht die Technik.
Es ist nicht das Equipment.
Ich bin es.
Es macht mir einfach keinen Spaß. Nur weil ich es gern sehe, sogar hochgradig sexy finde, wenn jemand sich auf dem weißen Zeugs so bewegen kann, heißt das nicht zwingend, dass ich es auch können muss. Ich bin nicht komisch oder uncool, weil ich nicht zu den gefühlten 80 % der Menschen gehöre, die Wintersport total prima finden. Es ist einfach nicht mein Ding. Fertig.

Ich finde die Berge toll. Mir geht das Herz auf, wenn ich die schneebedeckten Gipfel sehe. Blauer Himmel, Sonne und glitzernder Schnee – optisch der Hammer! Ich denke „uh la la“, wenn ich Snowboarder sehe. Ich trink auch gern einen Kakao mit Rum, kein Problem. Aber ich bin kein Wintersportler.


Ich bin ein Sommerkind. Laufen, Rad fahren, Schwimmen. Einfach loslegen, theoretisch unabhängig von Maschinen, Öffnungszeiten, teurem Equipment. Das ist mein Ding. Tanzen, meine Füße frei bewegen, generell frei fühlen …
Ich springe beim Hindernislauf in ´ne dreckige Schlammpfütze, meide aber ab sofort die schneeweißen Pisten. Ich springe 220 m am Bungeeseil in die Tiefe, aber die Hoppelpiste ist mir zu steil.

Diese Erkenntnis war sehr befreiend. Ich muss das für niemanden machen, um ins Raster zu passen. Ich muss das nicht machen, weil das doch alle machen.
Ich könnte es können.
Ich mag nur einfach nicht.
Also habe ich B. wieder nach oben geschickt, damit er seine Zeit genießen kann. Dies war meine letzte Abfahrt. Und dann bin ich acht Kilometer durch den Schnee zur Ferienwohnung gewandert. Das konnte ich ehrlich genießen.

Das sollten wir uns mit viel mehr Dingen eingestehen. Man sollte viel öfter in sich hinein hören: mache ich das für mich? Weil es mir Spaß macht? Weil es mir etwas gibt? Weil ich es schaffen will? Oder nur, weil alle das machen; weil es eben so ist.

Ich möchte euch an der Stelle ein ganz wunderbares Buch empfehlen, das ich mir just nach diesem ersten Tag aufs ebook geladen habe (ich hatte ja nun ein paar Tage Zeit um zu lesen. Ich liebe Lesen!): „Am Arsch vorbei geht auch ein Weg“ von Alexandra Reinwarth. Sie hat mir wahrhaftig aus dem Herzen gesprochen. „Man sollte aufhören, Dinge zu tun, die man nicht will, mit Leuten, die man nicht mag, um zu bekommen, was man nicht braucht.“ Ich mag die Leute um mich herum zwar sehr, aber Wintersport? AM ARSCH!


Der Winter hat mir nochmal eine kleine Retourkutsche verpasst. Der Versuch, mit B. auf einem steilen, vereisten Hang mit dem Schlitten herunter zu rutschen, endete mit einem Sturz auf den Hinterkopf und einer kleinen Gehirnerschütterung, die mich den Rest den Urlaubs begleitet hat.
Ganz so, als hätte sich der Wintersport gesagt: “Franzi? AM ARSCH!“

6 Gedanken zu “Piste buchen? Pustekuchen!

  1. Nadine Engelhardt sagt:

    Sehr schön Franzi, du sprichst mir mal wieder aus der Seele. Ich denke genauso. Ich habe es noch nie probiert, würde es aber mal machen wollen, weiß aber am Ende das es nicht meins sein wird. Ich liebe wie du den Frühling und Sommer mit all seiner Leichtigkeit. Daumen hoch.

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  2. Diana sagt:

    Danke für deine Ehrlichkeit! Hab mich schon immer, zwar voller Bewunderung, aber dennoch gefragt, ob ihr noch alle Latten am winterlich vereisten Zaun habt 😀
    Für mich ist das genauso wie beim Springreiten, ich kann da noch nicht mal hingucken. Und wenn doch, halte ich vor Anspannung die Luft an bis die schlimmsten Passagen geschafft sind. Atemnot!!!
    Ein Hoch auf die „uncoolen“ Winterwaldspazierengeher und Schlittenzieher! Ist das jetzt auch fly?
    (Man, bin ich alt…)
    *coolistwernichtmitmachenmuss*
    Danke ❤

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