Momentaufnahme Momentaufgabe

Ich fühle mich verloren. Mitten im belebten Café in Gesellschaft meiner liebsten Menschen verliert plötzlich die Schwerkraft ihre physikalische Bedeutung. Ich scheine in mir ins Bodenlose zu fallen, äußerlich erstarrt. Ich scheine in mir zu schreien, doch statt einem einzigen Laut drückt eine riesige Schallwelle voller Schweigen von innen gegen meinen Hals und formt dort das, was man landläufig einen Kloß nennt.

Und weil irgendwann der Kloß alles verstopft, drückt die Welle an ihm vorbei die Flüssigkeit aus meinen Tränendrüsen und die Schläge aus meinem Herzen. Es donnert ungebremst gegen meinen Brustkorb und krallt sich hilfesuchend an meinem Atem fest.

„Alles in Ordnung?“ scheinen die Augen meiner Gegenüber zu sagen. Und ich möchte Lächeln und „Ja“ sagen. Aber die Schwerkraft ist wieder da und hält sich an meinen Mundwinkeln fest, um nicht von mir selbst nach unten gezogen zu werden. Und ich habe Angst, dass der Kloß mit voller Wucht raus schießt. Außerdem würden sie mir das ohnehin nicht glauben und es würde sich unweigerlich die Frage anschließen, was denn los sei. Und dann müsste ich sagen: „Ich weiß es nicht.“
Weil eigentlich alles in Ordnung ist.

Und doch fühle ich mich verloren. Hänge plötzlich in den Seilen, als hätte mir jemand mit einem heftigen Schlag in die Magengrube das Lächeln aus dem Gesicht gehauen.

Meine Finger liegen auf der Tastatur und schweigen. Sind taub und stumm zugleich. Die innere Sekretärin schaut auf die Uhr und erinnert mich mit erhobener Augenbraue an meine Termine. Ich hasse es, wenn sie das tut. Weil ich weiß, dass sie recht hat.

Und doch sitze ich hier wie ein trotziges Kind, das nicht verstehen will – nicht verstehen kann – warum es nicht einfach weiter hier sitzen und die Ameisen beobachten kann. Oder das richtige Ende vom Regenwurm finden. Oder Kleckerburgen im seichten Wasser bauen, obwohl die Fingernägel schon blau sind.

„Warum?“ scheint es mit vor Traurigkeit bebenden Lippen zu sagen. Und die großen Kulleraugen blinzeln ein Tränchen weg. Es hat gelernt, dass ein Schreikrampf nichts bringt. Kampf im Allgemeinen manchmal nur Kraft kostet. Also wischt es sich trotzig mit dem Arm den Schnodder von der Nase und tut, wie ihm geheißen.

Insgeheim denkend: „Na warte. Wenn ich erwachsen bin, dann mach ich einfach was ICH will.“

 

Wenn es wüsste …