Die letzte (N)ölung

Viele von euch kennen sie, manche sind selbst welche: notorische Nöler.
Nölärsche, wie meine Mama zu sagen pflegt. Nöler sind keine Kritiker im eigentlichen Sinne, weil ihre permanente Mecker- und Schimpferei keinen wirklich wertvollen Beitrag zum Gemeinwohl leistet.

Ich unterteile sie gern in:

  • Die schweigenden Nöler: das sind die Menschen, die dir in die Hacken fahren mit dem Einkaufwagen. Die, die Drängeln und/oder Schubsen, um irgendwo vorbei zu kommen. Die, die dich im Reißverschlussverfahren (ich verweise hier regelmäßig stumm auf § 7 Abs. 4 der StVO) nicht einfahren lassen. Die, die besonders laut tippen, laut stossatmen, Dinge laut irgendwo hinlegen oder Türen und Schubfächer laut schließen, damit du merkst: Aaah, da ist etwas nicht in Ordnung – du weißt halt nur nicht was. Sie nutzen ihren gesamten Körper und alle Gegenstände, die sie in die Finger bekommen können, zur Beschwerde. Nur nicht ihren Mund. Lieblingszitat: „Nichts!“ auf die Frage: „Was hast du?“

 

  • Die meckernden Nöler: Sie nutzen ihren Mund. Häufig. In Kombination mit ihrer Mimik und Gestik. Erkennungszeichen: zusammengezogene Augenbrauen, hängende Mundwinkel und verschränkte Arme. Ihre gesamte Erscheinung schreit: „Nein, meine Suppe ess´ ich nicht!“. Sie sind sich nicht zu schade, wiederholt an ihnen nicht genehmen Umständen rumzubrömmeln, haben aber Lösungsansätze outgesourct. Was auch der Grund ist, warum sie wiederholt brömmeln (dürfen). Ein Brömmelkreis. Bei manchen bin ich mir sicher, sie genießen das, nutzen es als eine Art Ventil.

Ich erwische mich selten auch dabei, vorrangig im Strassenverkehr. Wenn mein Nervenkostüm mal wirklich angespannt ist, dann kommt auch mir eine Schimpftirade über die Lippen, die leider null komma nichts an der Situation ändert. Witzigerweise gehe ich mittlerweile dazu über, mich direkt danach zu entschuldigen. Beim Universum oder so – man weiß ja nie. Safety first.

Hier und da finde ich bei dieser Nölerei Parallelen zur Krankensalbung – zur „letzten“ Ölung. „Letzte“ deshalb, weil diese Symbolhandlung als Sakrament des Todes missverstanden wird, weil der Priester oft zu spät zu Todkranken gerufen wurde. Ursprünglich sollte es aber den Kranken vor dem Tod retten. Durch Gebete und Öl auf Stirn und Hände.

Das ist nett gemeint und wenn man dran glauben mag, bringt einem das sicher inneren Frieden. Aber so richtig konstruktiv ist das jetzt nicht, oder?

Die Nöler wollen durch ihre Handlungen eine Veränderung herbeiführen, werden aber maximal den Gemütszustand der Empfänger verändern. In aller Regel nicht ins Positive. Indem sie dir „die letzte Nölung“ verpassen, fühlst du dich eher als fehlerhaft.

(N)Öl vermischt sich übrigens auch nicht, weshalb „In-den-Bart-Nuschler“ oft dazu verdammt sind, allein vor sich hin zu brodeln. Wer will das schon?

Wenn du also das nächste Mal wieder jemandem in die Hacken fährst beim Einkaufen: versuch´s doch mal mit einem: „Entschuldigung, kann ich mal bitte vorbei?“ + Lächeln (das ist das mit den Mundwinkeln nach oben).

Klappt in der Regel erstaunlich gut.