„Heute ist der perfekte Tag um Spaß zu haben!“
Der Block auf dessen Deckblatt das steht, scheint mich verhöhnen zu wollen. Sieht er denn nicht, wo wir gelandet sind?
Auf der anderen Seite hat er sich mich ja nicht ausgesucht. Sondern ich ihn. Bei einem Zeitlupenspaziergang in die Kaufhalle um die Ecke. Entfernung für Hans Wurst: 5 min. Entfernung für Krankenhausinsassen: 15 min.
Beschweren will ich mich nicht über meinen viertelstündigen Weg. Immerhin kann ich ihn selbst gehen. Davon träumen andere.
Ja, so klein können Träume sein.
Der Block hat sich sicher gefreut, endlich adoptiert zu werden und kommt sich jetzt bestimmt auch ziemlich dämlich vor. „Heute ist der perfekte Tag um Spaß zu haben.“ Ah ja.
Ich will hier raus. Der Block sicher auch.
Fast zwei Jahre. Solang hatte ich Ruhe vor dem Krankenhausalltag als Patient. Die zwei Jahre waren prall gefüllt wie eine Zuckertüte mit Erlebnissen. An manchen davon hab ich mir ziemlich den Magen verdorben. Missen möchte ich dennoch keinen Moment.
Alle waren richtig. Alle waren wichtig.
Und nun? Willkommen zurück im Mikrokosmos Klinik. Wo Roboter eigene Fahrstühle haben, mit dem sie (vermeintliche) Menschennahrung und Wäsche transportieren. (Effizient an „human ressources“ gespart!).
Der Mikrokosmos.
Wo es Eis im Angebot gibt (1,50 € statt 2,20 € – noch mehr Sorten im Kiosk!). Irgendwie muss man es den Patienten und Besuchern ja schön machen!
Wo junge Assistenz-Ärztinnen gelb-rote Namensschilder tragen, die in Verbindung mit dem blauen Kittel eine beabsichtigte Ähnlichkeit zum Superman-Anzug forcieren. Kinderärztin. Hundertpro. Und tatsächlich fliegt sie durch die Gänge, mit einem Tablett voll Essen. Das wird sie sich im Schnelldurchlauf in einem kleinen Personalzimmer gönnen. Obwohl sie dafür eigentlich keine Zeit hat.
Weil die wenigsten Menschen, die hier arbeiten, Zeit haben. Und oft haben auch die Besucher keine Zeit. Und manchmal bleibt den Patienten nur noch wenig Zeit.
Mikrokosmos Klinik.
Wo es so viele kleine Dinge zu entdecken gibt. Die großen Kannen Tee auf der Fensterbank zum Beispiel. Ob das wohl zum Warmhalten gedacht ist? Sind immerhin 30 Grad draußen.
Die fröhliche Dame, die immer die Essensbestellungen aufnimmt ist auch noch da. Der fröhlichste Mensch, der mir hier begegnet ist. Auch jetzt noch.
Gerade hab ich sie auf dem Gang gesehen – wenn sie keine Bestellungen aufnimmt, hetzt auch sie von Zimmer zu Zimmer. Tiefe Ränder unter ihren traurigen Augen.
Mikrokosmos Klinik.
Wo die Privatsphäre irgendwie an der Drehtür zurückgelassen wird. Außerhalb dieses Äthers teilt man sich oft nicht einmal mit Kollegen ein Zimmer oder pupst vor seinem Partner. Hier liegt man Bett an Bett mit völlig Fremden. Man stöhnt vor Schmerz, erbricht sich freimütig und teilt auch sonstige Körperflüssigkeiten und -gase, mehr oder minder unfreiwillig. Kathetern, OP-CO² und Krankheiten sei Dank.
Mikrokosmos Klinik.
Wo die Kissen so unbequem sind wie Steuerprüfer. Ergebnis: schlechter Schlaf. Folge: schlecht gelaunter Patient – weil krank UND müde. Resonanz: noch gestresstere Pflegekräfte. Supergau: Massenschlägerei im Zimmer.
Ich habe mittlerweile ein eigenes Klinikkissen.
- Humor
- Lächeln
- Nachsicht
- Geduld
Denn jeder der seinen Beruf in diesen Mikrokosmos verlagert hat, verdient all das. Plus Respekt.