Menschen sind schon seltsam hier und da. Zum Beispiel, wenn es darum geht, was wir wollen. Oder was uns vermittelt wird wollen zu müssen. Und wie sehr das manchmal davon abweicht, was wir wirklich brauchen.
Beispiel Technik. Menschen stehen Schlange vorm Apple-Store – übernachten manchmal sogar davor – um der erste zu sein, der den neuesten heißen Scheiß in der Hand hat. Und dann halten sie es in einem König-der-Löwen-Simba-Moment gen Himmel, als wäre es die Heilung für alles.
Das alte Modell versuchen sie entweder noch gewinnbringend zu verkaufen oder verschenken es. Manchmal landet es einfach achtlos in der Tonne – obwohl es gerade noch unverzichtbarer Alltagsbegleiter war.
Die alten Daten und Apps (sind ja maßgeschneidert) werden in der Cloud gespeichert. Dann laden sie alles einfach auf das neue und damit vermeintlich bessere Gerät. Kein Kratzer ist da dran. Wie ein rohes Ei wird es gehütet.
Und nach kurzer Zeit schon gieren sie nach dem nächsten Spitzenmodell.
Das Zuhause ist technisch ausgeklügelt ausgestattet. Alexa macht das Licht aus, die Musik an und schreibt die Einkaufsliste. Aber … „Alexa, nimm mich in den Arm“ lässt bislang noch auf sich warten.
Wir sind so sehr an den technischen Fortschritt gewöhnt – ja, fast davon abhängig – dass wir in allen Bereichen des Lebens eine ständiges Update erwarten. Immer besser muss es werden, noch krasser performen. Noch schneller reagieren, der Speicher noch größer und es soll uns möglichst jeden Wunsch von den Augen ablesen.
Mit den Menschen in unserem Leben gehen wir oft ähnlich um. Wir investieren nur noch selten in Reparaturen, weil es oft „lohnenswerter“ ist, etwas neues anzuschaffen. Manchmal ist nicht einmal etwas kaputt – nur nicht mehr spannend. Dann wird recherchiert, sich informiert, verglichen – und ausgetauscht. Um das Neue bemühen wir uns, achten und respektieren es. Und versuchen leider auch hier oft, die personalisierten „Apps“ zu übertragen. Leider landen wir dann ab und zu von Wolke 7 in der sehr technischen Cloud.
Denn: manche Applikationen bekommen kein Update mehr. Manche sind inkompatibel mit der neuen Software. Eine Umarmung fühlt sich von jedem Menschen anders an. Jeder Mensch reagiert unterschiedlich – immer abhängig von seiner eigenen Geschichte und seiner eigenen Konditionierung. Wir können nicht einfach all das, was vorher für uns funktioniert hat, mitnehmen und durch neue Features ergänzen. Und manchmal ist man dann enttäuscht, weil man vorher besser zurecht kam.
In menschlichen Beziehungen (romantisch, freundschaftlich, familiär) geht es nicht um Updates, High-End-Performance oder Perfektion. Es geht ums Klicken. Es geht darum, sich miteinander wohl zu fühlen. Darum, sich gegenseitig aufzuladen, Kraft zu geben mit einer Umarmung. Es geht darum, schweigen zu können und trotzdem nichts ungesagt zu lassen. Darum, jemanden nicht einzuschränken, sondern zu sagen: „Mach! Versuch es! Vielleicht ist die Idee blöd, aber du brennst darauf es zu probieren! Also geh! Hab Erfolg, oder scheitere! Wie auch immer es ausgeht, ich warte hier auf dich, um mit dir zu feiern oder zu weinen!“ Es geht um Akzeptanz, darum, das Beste im anderen zu Tage zu fördern, ohne es zu fordern.
Technik kann ersetzt werden. Menschen nicht. Keiner.
Und genau darin liegt unser Schmerz. Er schlummert unter der Oberfläche unserer Selbstsicherheit wie ein Samenkorn in der Wintererde.
Wir alle wollen jemand Besonderes für einen anderen Menschen sein. Derjenige, mit dem man die tiefsten Gespräche führt, oder am meisten lacht oder den besten Sex hat oder die tollsten Projekte umsetzt. Und manchmal wollen wir ALL das für einen Menschen sein oder suchen all das in einem. Wir erwarten, wir projizieren und bauen uns ein Wolkenschloss aus Vorstellungen.
So viele von uns glauben, sie müssten besser performen als ein Vorgänger. So viele von uns glauben, sie sind weniger wert als ein Nachfolger.
Dabei sind wir alle immer die beste Version unserer selbst. Wir updaten uns jeden Tag. Manchmal ist der Akku leer, manchmal das Display schwarz und für manche Dinge sind wir einfach nicht geschaffen. Und das. ist. absolut. in. Ordnung.
Wir tun, was wir können und wir geben was wir haben. Und das reicht!
Würden wir alle intuitiv wählen (ohne das Gefühl des „Müssens“) wir würden uns immer mit den Menschen umgeben, die uns gut tun und die uns dabei helfen, unseren Weg zu finden. Das heißt nicht zwangsläufig immer Harmonie – Modifikation schmerzt; Diffraktion kostet Kraft. Aber nie für lange. Alles was uns mehr Energie zieht, als es uns gibt sollten wir überdenken und mitunter in Würde und mit Größe loslassen.
Denn es macht absolut Sinn, sich von etwas, das einfach nicht mehr funktioniert und das auch nicht mehr zu reparieren ist, zu verabschieden.
Ersetzbar ist es dennoch nie.