EILMELDUNG! – prangt es in großen roten Lettern auf der Startseite des Newsportals. Ich vermute ein aktuelles Twitter-Vomitat von Trump in Sachen Raketenangriff oder irgendetwas anderes von immenser internationaler oder mindestens nationaler Bedeutung, scrolle deshalb zum Artikel und lese:
„Trainerfrage bei Bayern geklärt!“
Ah. Ok.
Ich wäre ja beruhigt, wenn das tatsächlich DIE relevante Eilmeldung des Tages gewesen wäre, einfach weil es sonst nichts dramatisches zu berichten gibt. Aber rund um diese Knallerschlagzeile sammeln sich die „unwichtigeren“ Nachrichten wie kleine Inseln:
Mir ist bewusst, dass Fußball für viele fast religiös ist und durchaus zur kulturellen Vernetzung beiträgt. Ich freue mich selbst sehr auf den Fußballsommer und ich habe in gut vier Jahren mit B. gelernt, dass im Fußballgame of Thrones die Bayern das Zepter in der Hand halten. Schon klar, geschenkt!
Aber müsste ICH den Stempel „Eilmeldung“ vergeben, so würde er nicht auf einer Trainerentscheidung landen.
Was ist mit unseren Priorisierungen passiert? Brauchen wir mittlerweile die profanen Meldungen als Baldrian für unsere Synapsen? Damit wir nicht alle zu Grübelmonstern werden, oder – Gott bewahre – am Ende vielleicht sogar noch reflektierend aktiv?
Andererseits: Könnten wir all die Geschehnisse, die tatsächlich der „Eilmeldung“ würdig sind, verkraften? Wie wäre unsere leibseelische Reaktion auf die ungefilterte Wahrheit? Könnten wir diese Wucht an Elend vielleicht gar nicht stemmen und geben uns deshalb freiwillig und bewusst „panem et circenses“ – Brot und Spielen hin?
Sind die Massenunterhaltungen unsere ausgebauten Echokammern, in denen wir am digitalen Stammtisch sitzen und uns gegenseitig in unseren Meinungen – den immer gleichen – bestärken? Sind wir tatsächlich so abgestumpft? Ausgesumpft? Übertrumpft?
Es soll uns nicht kümmern müssen, weil wir uns nicht kümmern wollen.
Die Schweigespirale dreht Runden in unseren Köpfen, als seien sie Jahrmärkte der Banalitäten. Rummelbuden voller bunter Knete und Trostpreisen an der Losbude.
EILMELDUNG! Leider nur eine Niete.
Ich erhebe mahnend den Zeigefinger und richte ihn auf mich. „Und du?“ frage ich mich selbst, „Du schreibst von schmelzenden Herzen und kummernder Liebe und bist dabei doch selbst ein Filterseifenblasenmacher!“
Ja, das mag sein. Und dennoch: es hält mich am fühlen. Und vielleicht auch den einen oder anderen, der mich liest – in mir liest.
Und ich glaube, wenn wir noch fähig sind zu fühlen, können wir auch MITfühlen. Und ist Mitgefühl nicht die Haut, in der die Menschlichkeit steckt?
Wo es menschelt, da bleibt ein Auge auf dem Weltgeschehen und ein anderes auf dem Fußballnachrichtenfeld. Da bleibt eine Nase im emphatischen Wind, beide Ohren wider dem Durchzug und das Herz auf der Zunge.
Zeigen wir es in kühnstem Einstein-Rolling-Stones-Trotz.
There was a lot of other news on 11 April:
– when I woke up this morning, I heard a tawny owl calling,
– the magnolia tree in our garden started flowering,
– our next-door neighbour brought us some home-made cookies,
– my dog caught a mouse and swallowed it,
– my son had his first soccer training and loved it,
– for the first time this year, I managed to go for a longer run with a colleague at work,
– there was a beautiful sunset colouring the sky shades of pink and red and orange,
– Stattstadtmaedchen wrote a new story.
But – except for the last one – who cares about that sort of news? Our closest friends (at best).
Our ancestors lived in small communities, and there were many dangers lurking. So, stories (news) about (local) catastrophes and mishaps were told and everyone listened: they had survival value. Our brain keeps working like that, but now the stories come from all over our connected world. Wars, torture, terror, plane crashes, car accidents, shootings,… We are flooded by them. How does that influence us? Do we still feel safe? Do we worry more about all kind of lurking dangers? Do we shut down our empathy? Do we see “islamic terror” instead of the Syrian refugee we meet who just wants to know which train he has to take to get to Kassel?
Please, keep writing about melting hearts, meetings with your grandparents, and flying with Peter Pan! It doesn’t keep us safe. But it makes us smile…
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Aand there it is again – that melting heart. Thank you for that lines!
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Für mich sprichst Du die Gedanken aus, die auch mir immer wieder bei der Erziehung meiner beiden Mädchen durch den Kopf gehen. – Wie kann ich die „Große“ motivieren persönlicher und regionaler die Infos aufzunehmen und sich mit seiner Umgebung auseinander zu setzen bzw. besser in Einklang zu bringen.
Es ist schon schwierig im Alltag auch die Kinder zu erreichen, da die Digitalisierung so viele Verlockungen hervor bringt.
Auch die Umgebung der Erwachsenen wird mit dem Druck des Alltags gezwungen, sich um das Wesentliche zu kümmern. Dabei sind es dann die „einfachen Dinge“ die einen den Feierabend zum abschalten bringen. Diese enthalten nicht die politischen Probleme, wie Du schon geschrieben hast.
Ich habe auch Bedenken, dass dies unsere Gesellschaft weiterbringt. Ggf. sollten wir dies auch in den Schulen mit integrieren, aber die Lehrstühle sind leider auch ziemlich knapp besetzt, dies ja auch die Kostenspirale bewegen würde.
Ich glaube das wir in Europa einen wirtschaftlichen Abschwung erleben werden, wie ihn damals Ägypten erfahren haben muss. – Das warum liegt auf der Hand!
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