Es war einmal…

… so fängt gefühlt jedes Märchen an, das ich kenne. „Es war einmal..“ impliziert immer auch: „es ist nicht mehr“.

Es war einmal … schön.

Wenn es am schönsten ist, soll man gehen, heißt es. Diese Weisheit hat nur einen Haken: Woher zum Henker soll man wissen, wann es am schönsten ist? Es steht ja keiner mit einer Reiseleiterfahne da und ruft: „Soooo liebe Reisende, bitte schnappen sie sich Sack und Pack – es geht weiter!“

Was, wenn man geht und dann wäre es erst richtig schön geworden?

Oft merkt man es erst, wenn man bleibt und im Nachhinein weiß: Mensch, den Moment hab ich irgendwie verpasst.

Ich glaube, dass wir den wärmsten Moment selbst festlegen können. Dann, wenn wir zufrieden und erfüllt sind. Nicht mehr streben und erwarten – dann können wir auf „Stopp“ drücken und die Aufnahme für immer abspeichern. Leider ist das ein Lernprozess, genau dafür ein Gefühl zu entwickeln …

Bis zu diesem Zeitpunkt werden wir immer wieder etwas weiter gehen, als vielleicht nötig oder sogar gut für uns wäre. Wir wissen im Grunde, dass etwas vorbei ist und kämpfen trotzdem. Um den Schein zu wahren. Oder weil wir gern bleiben wollen.

Unser Herz springt in tausend Teile und wir passen trotzdem noch auf, dass sich der andere daran nicht verletzt. Tausend Teile, Tausend Scherben … Spieglein, Spieglein …

Natürlich ist kämpfen ehrenwert und wichtig. Heldenhaft manchmal. Und dieser Kampf darf dich verändern, erweitern, verbessern – aber nicht verbiegen oder zerstören. Dein Selbstwertgefühl sollte niemals darunter leiden.

Denn das ist ohnehin schon angekratzt, oder?
Spieglein, Spieglein … Selfie, Selfie …
ein Like, ein Herz – Balsam für den geschundenen Selbstwert.

Wir streben nach Anerkennung von außen, weil wir sie selbst gar nicht mehr in uns spüren. Weil wir meinen, sie nicht spüren zu dürfen. Weil uns eingetrichtert wird, dass Stolz eine Todsünde ist, dass Narzissmus grundsätzlich schlecht ist. Wir lernen: du bist nur schön, wenn es andere sagen. Dabei bist du immer schön – vor allem dann, wenn du es selbst glaubst.

Wir haben verlernt, Lob und Komplimente auch wirklich anzunehmen. Was machen wir stattdessen?

  • Relativieren, in dem wir es klein reden (ach das ist nur eine gute Perspektive, das war ein Glückstreffer)
  • Auf die negativen Aspekte an uns hinweisen (Ja, aber ich habe auch den und den Fehler)
  • Sofort mit dem selben Kompliment reagieren (Ach DU doch viel mehr)
  • Wir stellen es in Frage (Was will derjenige damit bezwecken?)

Und in dem Moment machen wir eins: wir wehren ab! Wir lassen ernst gemeinte Komplimente, die uns stärken sollen, abprallen an unserem Turm ohne Tür. Anstatt einfach mal den Rapunzelzopf hinunter zu lassen und demjenigen – und  dem Lob – eine Chance auf Einlass zu gewähren.

Weißt du was passiert? Es kommt nicht in deinem Unterbewusstsein an! Es dauert ein paar Sekunden (etwa 7), bis sich Worte dort verankern. Wenn wir sie gleich abschmettern, werden sie das nie tun.
Die Aufgabe ist: lass authentische Komplimente einfach erstmal ein paar Sekunden freien Lauf. Lass sie ankommen! Lass sie wirken. Damit du sie irgendwann auch glauben kannst.

Und damit du dir irgendwann auch erlaubst, sie zu glauben.
Unsere Gesellschaft ist witzig irgendwie – wir sollen starke und erhellende Persönlichkeiten sein. Aber entwickeln wir eben diese und damit verbundene Selbstliebe, gelten wir als arrogant.
Einfaches Beispiel: jemand sagt: „Du siehst gut aus.“ und du antwortest mit „Danke!“ dann wird dir (besonders als Frau) Überheblichkeit unterstellt. Wehrst du es ab mit „Ach Quatsch, das sagst du nur so!“ fehlt es dir an Selbstbewusstsein.
Wenn du also nur antwortest, um perfekt zu reagieren: lass es. Du wirst vermutlich so oder so daneben liegen. Reagiere so, wie es für deine Seele gut ist: Lass es wirken, lächle. Und wenn du magst, bedanke dich trotzdem: „Das ist nett, dass du das sagst.“ Oder „Es tut gut das zu hören“.

Du hast es dir verdient. Du BIST schön. Und das was du machst IST toll! Wenn du es fühlst …

Ich weiß selbst wovon ich spreche. Ich kann nur sehr schwer mit warmen Worten umgehen. Mittlerweile gelingt es mir, Komplimente anzunehmen, für das, was ich mache: Worte finden, wo sie anderen fehlen. Meine Seele ein Stück öffnen.

Schwer fällt es mir noch immer im optischen Bereich.
Vielleicht gelingt es uns eher ein Bewusstsein für das Aufzubauen, was wir leisten, als für das, was wir sind und wie wir aussehen. Weil wir uns vermeintlich ersteres erarbeitet haben und letzteres eben kein Verdienst ist. Dabei ist es genau das – du pflegst dich und achtest auf dich. Gehst verantwortungs- und hoffentlich liebevoll mit deinem Körper um. Du lächelst Schmerzen weg. Das ist auch Arbeit!

Und dennoch, ich weiß wie es sich anfühlt, nicht das zu empfinden, was andere einem sagen. Bleiben wir im Märchenbild: Ich liebe Schneewittchen! Und wenn man mich fragen würde, in welche Rolle ich in dieser Geschichte passe, würde ich sagen: einer der Zwerge. Klein, putzig, fleißig und immer bemüht, anderen zu helfen.

Ich habe mich nie wirklich in der Rolle des Schneewittchens gesehen und ich habe immer geglaubt, dass man so sein muss um Komplimente zu verdienen.

Ich lerne aber nach und nach: das ist Quatsch. Du bist in deinem Lieblingsmärchen ALLES.
Ich bin ein hilfsbereiter, aber manchmal grummeliger Zwerg. Ich bin auch mal die böse Schwiegermutter, mal der rettende Prinz und manchmal eben auch Schneewittchen. Weich und weiblich. Und das ist auch richtig so und wichtig für das seelische Gleichgewicht. Ich darf das alles sein. Ich muss keiner einheitlichen Rolle, keinem Ideal entsprechen, um ein wertiger und schöner Mensch zu sein. Manchmal muss ich mich davon selbst überzeugen, dass auch etwas zartes in mir steckt, ein Shooting mit Sichtachse Fotografie hat mich darin ein Stück nach vorn gebracht. Mein Lieblingsbild hab ich zum Beitragsbild gemacht. Weil ich es mag. Weil ich mich darauf mag! Und wer mich kennt, weiß dass mir diese Worte einige Übung abverlangt haben.

Übrigens gilt die Rollenfreiheit für Frauen ebenso, wie für Männer.

Kein Vollbart und nicht tättowiert? Na und! Eher schmal als kräftig? Na und? Eher sensibel und kein Alphatier? Na und? Macht dich das weniger schön? NEIN!

Und Mädels: scheißt doch auf ein paar kg mehr auf den sexy Hüften oder dass die Haut mal spinnt im Stress. Das man irgendwann Falten sieht (hell yeah!!) und die Augenschatten von der Nacht erzählen.

Perfektion ist eine Illusion! Wenn das nicht so wäre, gäbe es in der Natur viel mehr Kopien. Aber alles ist einzigartig – jede Schneeflocke sieht anders aus und ist trotzdem herzzerreißend schön.

Ich kenne so unfassbar viele tolle Menschen in meinem Umfeld. Und ich werde nie müde, ihnen das auch zu sagen: Jetzt noch viel mehr! IHR SEID MÄRCHENHAFT SCHÖN! Und ich sehe euch …

12 Gedanken zu “Es war einmal…

  1. dornenlicht sagt:

    Schön ist wenn sich im Außen widerspiegelt,
    was wir innerlich fühlen.
    Wenn wir die Uhren missachten,
    weil die Zeit für einen kleinen Moment still stehen könnte.
    Wenn uns das was man von uns sieht,
    nicht trennt von dem was wir empfinden.
    Schön sind wir wenn wir bei uns selbst ankommen.
    Individuell und einzigartig.

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  2. Simone Hartung sagt:

    Du Liebe!
    Für deinen schönen Text wieder ein DANKE! Auch mir fällt es glaube ich immer schwer, Komplimente anzunehmen, ich hab mich in deinem Beitrag wiedererkannt. Zum Beispiel wenn sich meine neuen Kolleginnen für meine gute Arbeit bedanken und ich spüre, sie freuen sich wenn ich mit ihnen Dienst habe. Dann sage ich meist, das ist doch nichts besonderes. Aber insgeheim bin ich stolz und freue mich. Gerade weil es mir oft sehr schwer fällt nach der langen Auszeit. Das gibt doch Kraft.
    Ich wünsche dir, liebe Franzi eine wundervoll friedliche Adventszeit, viel Ruhe , erholsame Spaziergänge in der winterlichen Natur und bleib so wie du bist, denn so bist du wertvoll und wichtig für die Menschen, die dich lieben.
    Es wäre toll, dich mal persönlich kennenzulernen.
    Alles liebe von Simone

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  3. Haun Karin sagt:

    Du Liebe
    Es ist berührend von dir zu lesen.
    Vergiss niemals, Liebe ist bedingungslos, man muss nichts tun um in dieser Liebe zu sein.
    So wie wir sind, sind wir vollkommen richtig und jeder ist es wert geliebt zu werden.
    Auch du.
    Ich wünsche dir eine wundervolle Adventszeit.
    Fühl dich umarmt Liebe Grüße Karin

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  4. BeeKay sagt:

    Tips for dealing with warm words:
    1. Hold them, wrap yourself around them, cuddle with them. They can cool down faster than you think.
    2. Learn to store them, and retrieve them during colder periods. It’s hard to go on without at least some.
    3. Design your own warm words: for yourself and for others. They are easy to keep and use and you can never have too many.

    Your story is like the stone that still feels warm to the touch in the chill of the indian summer night.

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