Klappentexte

Ich habe gestern jemandem von dir erzählt. Jemandem, der nicht zu unser beider Geschichte gehört. Es war seltsam, in der Vergangenheitsform von dir zu reden.

Seltsam, eine Art „Zusammenfassung“ von Geschichte, Gefühl und Gegenwart zum Besten zu geben.

Der Klappentext einer Begegnung.

Der Vorteil bei unbekannten  Büchern ist, dass man sich entscheiden kann, sie zurück ins Regal zu stellen, wenn einem die Inhaltsangabe nicht zusagt.

Ich kannte sie erst, nachdem die Handlung geschrieben war. Vor allem war ich überrascht, dass diese doch so kurz war. Anfangs fühlt es sich an, als könnte eine Unendliche Geschichte daraus werden und plötzlich findet man sich in der Poesieabteilung der Lebens wieder. Kurze Gedichte, statt langer Geschichte.

Klappentext.

Heißt im Englischen übrigens blurb – und unserer fühlt sich gerade auch genauso an. Seltsam und irgendwie schmerzhaft, vergleichbar mit dem Schmerz, wenn man sich den Ellenbogen stößt. Oder wie ein unerwarteter Treffer in den Solarplexus. Im schulmedizinischen Sinne als auch in der Naturheilkunde, wo das Sonnengeflecht als das Zentrum von Kraft und Lebensenergie steht.

Ich bin genau an dem Punkt getroffen, an dem man sowohl seelische als auch körperliche Schmerzen spürt.

Kurz ist die Luft weg – aber zum knock out reicht´s nicht. Nicht mehr.

Dafür bin ich mittlerweile zu geübt im Aushalten. Eine Räubertochter mit Blessuren. Eine Räubertochter, die keine Angst hat, auch mal schwach zu sein. Ich zerbreche daran nicht. Das einzige was sich bricht, ist das Licht des Lebens in den abermillionen kleinen Teilchen in die ein Teil meines Herzens gesprengt wurde.
Ein bisschen wie ein explodierender Stern inmitten dieses Sonnengeflechts, das grad schmerzt.

www.christopherschmid.de night
http://www.christopherschmid.de night

Hab ich dir je erzählt, wie das passiert?

Einfach gesagt, geht einem Stern manchmal der Brennstoff aus. Er bricht dann zusammen an seiner eigenen Schwerkraft und es kommt zur Explosion – zur Supernova. Sie durchdringt die Hülle des Sterns und dann leuchtet er kurzzeitig manchmal sogar heller, als die gesamte Galaxie.

Dann ist er verschwunden.
So wie wir.

Der Teil meines Herzens, auf dem der Klappentext unserer Begegnung stand, ist supernoviert. Aber durch die Druckwelle entstanden massenhaft neue Sterne. Nichts, gar nichts im gesamten Universum hat bis in alle Ewigkeit unveränderlich Bestand.

Und vielleicht schaffen es ein paar staubige Reste unseres Gestirns in meine Atmosphäre einzutreten. Ich werde mir mit diesen Sternschnuppen etwas wünschen.

Ich habe gestern jemandem von dir erzählt. Jemandem, der nicht zu unser beider Geschichte gehört. Es war seltsam, in der Vergangenheitsform von dir zu reden.

Aber ab jetzt wird all´ das „von dir erzählen“ und „an dich erinnern“ leichter. Es entfernt sich, Stück für Stück, wie ein verglühender Stern.

Ich vermisse mich nicht mehr selbst, seitdem du weg bist. Ich finde mich.

Ich freunde mich an mit dem Gedanken, dass auch short storys zur Bibliothek meines Lebens dazu gehören, deren stark komprimierte Inhalte dafür besonders dramatisch und intensiv sind. Ich mag es nach wie vor, zwischen den Zeilen zu lesen, ich mag die Andeutungen und die Detaillosigkeit – auch, oder gerade weil sie mich hin und wieder aufreibt.

Und vielleicht, wer weiß das schon, ist irgendwann auch wieder die Zeit gekommen für einen richtigen Wälzer. Einen, der auch ohne große Peripetie auskommt. Einen, der mich mit dem ersten Satz gefangen nimmt und mit dem letzten Satz versöhnt.

Was auch immer kommen mag:
Unseren Klappentext werde ich zukünftig gern lesen und mich mit einem Lächeln erinnern. Und dann werde ich diese Anekdote wieder ins Regal stellen.

Fortsetzungen übertrafen bislang nur selten das Original.

 

 

 

Bilder: www.christopherschmid.de

 

 

2 Gedanken zu “Klappentexte

  1. Jacky sagt:

    Hallo ich bin Jacky. Ich lese sehr gern deine Artikel, kurze Erzählungen oder Begebenheiten. Es fühlt sich so ehrlich und gefühlvoll an. Ich kann alles spüren und mitfühlen was du schreibst. Sehr genau empfinde ich mit dir was die Trennung betrifft. Ich weiß genau wie es sich anfühlt und kann jedes Wort bestätigen.
    Aber sicher ist…Die Zeit heilt alle Wunden. Vielleicht nicht ganz aber man kann mit leben

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  2. BeeKay sagt:

    “Ich vermisse mich nicht mehr selbst, seitdem du weg bist.”

    Die Bibliothek des Lebens ist voller Perlen. Was für ein Satz. Mein Herz tut weh vor Weltschmerz. Und der ganze Nachthimmel leuchtet.

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