Es gibt so Tage … da hast du schon vorm Aufstehen die Kotzgrenze erreicht. Drastisch formuliert, aber treffend. Du fühlst dich innerlich so leer, als hätte dir jemand das letzte bisschen Seele aus den Ecken deines Körpers gekratzt.
Du glaubst nicht daran, heute auch nur den kleinen Finger bewegen zu können, geschweige denn deine Mundwinkel. Dein Verstand, dein Herz und dein Bauch stehen sich in einer heroischen Schlacht gegenüber und bekriegen sich bis aufs letzte.
Und dann liest du das:
DU bist das einzige Problem, das du jemals haben wirst. Und DU bist die einzige Lösung.
Ich stehe auf. Gehe die unsichtbar eingetretenen Pfade meines Zuhauses leise und wie in Zeitlupe entlang. Und höre immer wieder diesen Satz in meinem Kopf.
Auf die Fliesen im Bad sinkend, den Kajal in der Hand, schreiben meine Finger fast selbstständig auf meinen nackten Oberschenkel:
„DU bist das einzige Problem, das du jemals haben wirst. Und DU bist die einzige Lösung.“
Ein kleiner, aber entscheidender Auftrieb gibt mir den Impuls aufzustehen und meine Laufsachen anzuziehen. Dem Gesetz der Anziehung folgend, sage ich still zu mir: heute werden es mehr als 10 km. Ich weiß es einfach.
Als ich loslaufe, lasse ich mir bewusst Zeit. Ich bin früher ein ungeduldiger Typ gewesen. Heutzutage übe ich mich in Geduld. Was soviel bedeutet wie: ich bin immer noch ungeduldig, sage es aber nur noch selten und handle entsprechend weniger so.
Doof fühlt sich das trotzdem noch an.
Auch jetzt – nicht zu schnell zu rennen, weil ich mir die Kraft einteilen muss. Der Weg nach Hause ist heute weiter als sonst …
Schritt für Schritt für Schritt für Schritt wird begleitet von dem Spruch „DU bist das einzige Problem …“ visualisiert auf meinem Oberschenkel, der jetzt so aktiv ist und mich nach vorne bringt.
Ab km vier „rastet“ mein Runtastic förmlich aus und ich bekomme eine Motivation nach der anderen in den Ohrstöpsel katapultiert. Wer auch immer das von euch war: Danke. Es hat mir beim Mundwinkellifting geholfen.
Ich rieche nasses Gras, feuchte Erde, Mais und beregneten Asphalt der von der Sonne getrocknet wird. Leichter Wind auf meiner Stirn, mein Herz im regelmäßigen Schlag … Heiter bis wolkig, 160 Puls … die Koordinaten zum Abschalten. Ich denke mit Wohlwollen an die Pizza UND die Currywurst des gestrigen Tages zurück (einfach mal übertreiben) und lass‘ den Verstand aus.
Am Ende stehen 13,6 km auf der Pulsuhr. Nach anderthalb Stunden ist sie jetzt voll mit Informationen. Und mein Kopf dafür leer und ruhig.
Lang‘ wird das nicht anhalten, das weiß ich. Aber für jede Minute lohnt es sich …
Dann ist auch mehr Platz, damit der Spruch seine Runden drehen kann „DU bist das einzige …“