Heute, am letzten Tag der Wochenchallenge, tönt „Caravan“ von Lion Sphere aus den Lautsprechern.
„I don’t even know their names. I’m a ghost amongst shining men. I will see them everyday.“
So ging es mir in den ersten Tagen der Proben für die Domstufen-Festspiele. Ich – der absolute Theaterneuling. Und um mich herum Profis in ihren jeweiligen Fachbereichen mit zum Teil internationalem Renommee.
Ich bin niemand, der mit ausgebreiteten Armen in einen Raum herein kommt und voller Freude ruft „Hier bin ich!“. Ich bin eher so die „Ich-schleich-mich-hier-mal-rein-und-guck-mich-erstmal-um-hoffentlich-bemerkt-mich-keiner“-Person.
Ich bin zwar neugierig aufs Leben und probiere unfassbar viel aus, aber bin in vielen Dingen auch sehr unsicher. Ein bisschen wie ein Kind, das zwar die Welt entdecken will, aber vorsichtshalber mindestens einen Finger von Mutti umklammert – im übertragenen Sinne.
Ich bin sehr selbstständig, fühle mich aber in neuen Situationen deutlich wohler, wenn wenigstens ein paar vertraute Faktoren vorhanden sind.
Eine Art Farbverlauf für neue Erfahrungen.
Ich bin noch nie ertrunken, wenn man mich ins kalte Wasser geworfen hat – es hat mich immer weiter gebracht – aber angenehmer finde ich doch die Variante mit dem langsam eintauchen.
Es hat mir sehr geholfen, dass ich zumindest unter den Statisten drei sehr gute Freunde hatte.
„I don´t even know their names.“ ist hier zum Teil schon über 18 Jahre her … Und auch wenn ich im normalen Alltag nicht sagen kann „I will see them everyday.“ verbinden uns doch viele Erinnerungen und Geschichten.
Und so wird es auch mit einigen der allabendlichen Mitstreiter auf den Domstufen sein.
Aus Unbekannten, werden Bekannte, werden Freunde.
Heute ist die letzte Vorstellung von „Der Troubadour“. Noch vor wenigen Wochen war das Ende weit weg. Ich wusste, dass ich das „everyday“ machen, die Kollegen täglich sehen würde. Aus ungewohnt und neu wurde routiniert. Und nun, da der letzte Abend ansteht, werde ich doch etwas wehmütig.
Gestern schon musste man sich von einigen verabschieden, weil sie zum letzten Mal da waren.
Sonja zum Beispiel, mein Ninja-Partner in Crime, die mich mal vertreten und mal an meiner Seite gespielt hat, wird mir fehlen. Für mich waren „nur“ Menschen und Situation neu, für Sonja das ganze Land – sie kommt aus Australien. Ihre Mutter stammt aus Bayern, so dass ihr beim deutsch reden ab und zu bayrischer Dialekt über die Lippen huschte. Es ist sehr witzig, „Das ist doch Schmarrn!“ mit australischem Akzent zu hören. Von ihr hab ich auch die Gute-Laune-Socken und die Karte auf dem Titelbild – ein Abschiedsgeschenk.
Ich war früher noch viel mehr eine Schissbüchse wenn es darum ging, allein etwas zu machen. Was mich leider davon abgehalten hat, die Welt im Alltag zu entdecken. Ein Austauschjahr in einem anderen Land? Nach dem Abi erstmal backpacken? Auslandssemester? Vergiss es! Damals hatte ich zuviel Angst.
Und jetzt? Steck ich zu tief im Alltag – obwohl die Sehnsucht manchmal groß ist, in einen „Caravan“ zu steigen und dem Herzen nach einfach los zu fahren. Der Chevy Van G20 an dem ich „everyday“ vorbei komme, erinnert mich schmerzlich daran.
Wie man mit 21 Jahren – wie Sonja – so viel Mumm haben kann, einfach in das oben besagte kalte Wasser zu springen; und das nicht vom Steg aus in der Nähe des Ufers, sondern mitten in einen riesigen Ozean; ist mir ein Rätsel. Ich bewundere das und habe größten Respekt vor soviel Entdeckerherz. Sonja, du wirst deinen Weg gehen, und ich bin mir sicher, wir werden noch viel von dir hören! #pandapower
Aber auch viele andere werde ich vermissen. Menschen und Situationen, Rituale.
„Hexe“ Luisa, die soviel Liebe und Talent in sich trägt.
„Kampfhure“ Andrea, die im echten Leben noch viel stärker ist, als auf der Bühne.
Vera, die mich täglich in der Maske zum Hardcore-Panda geschminkt hat.
„Salami, Salami“.
Versuchte böse Blicke auf der Bühne, obwohl man eigentlich losprusten will.
Whiskey-Tasting nach Feierabend, x verschiedene Sprachen, die an mein Ohr dringen.
Motivierende und echte Umarmungen.
Mitten im Nonnenchor zu stehen, wenn sie anfangen zu singen und davon eine Gänsehaut zu bekommen.
Die tägliche Fackelaction mit Jan und viele, viele mehr …
Ich nehme mit, dass das meiste, was anfangs fremd ist, mit täglicher „Routine“ vertraut wird. Und das man deshalb keine Angst vor Fremdem haben muss, oder Neues auszuprobieren. Egal, ob es ein neuer Job oder alles im Freizeitbereich ist. Einfach machen. Es gibt etwas, dass immer hilft, eine Brücke zu bauen: lächeln.
Denn am Ende entscheiden wir:
One day?
Oder: Day one!
Das war der letzte Beitrag dieses Wochenprojekts. Aus „everyday“ wird jetzt wieder „ab und zu“. Es wird mir fehlen, aber ich habe auch gelernt, dass ein wenig Achtsamkeit und Fokus schon reichen können, um schön Themen zu finden.
Hier noch das letzte Video: