Als ich heute ins Auto steige, bequäkt Dolly Parton in ihrer unverkennbaren Stimme die Ausbeuterei der Arbeitnehmer(innen). Ich bin kein ausgemachter Country- oder Dolly Parton-Fan, aber das war ja auch nicht Voraussetzung der Challenge.
Von 9 – 17 Uhr steht auch in meinem Dienstplan. Allerdings ist das in meinem Fall nicht fest genagelt, und das wäre auch gar nicht möglich. Als Content Manager eines Freizeitmagazins bin ich viel unterwegs, sitze in Pressekonferenzen, besuche Veranstaltungen, treffe mich mit Geschäftspartnern oder Menschen, die eine Geschichte zu erzählen haben. Ich schreibe Texte, beauftrage freie Autoren und Fotografen, pflege die Website und Social Media Kanäle. Bei letzteren gibt es kein „9 to 5“. Da gibt es nur ein „Rock around the clock“. All you can work sozusagen. Fixe Zeiten sind in so einem Job zwar möglich, aber wenig zielführend. Ich bin mit dem Kopf oft auch zwischen 17 und 9 Uhr auf Arbeit. Checke Mails, denke über Themen nach, beantworte Nachrichten, die mich auf den unterschiedlichsten Wegen erreichen. Dazu zwingt mich niemand, ich mache das tatsächlich gern und aus Überzeugung. Weil ich meinen Job liebe! Im Gegenzug genieße ich das volle Vertrauen meines Arbeitgebers, viele Freiheiten und Raum für spontane Dienstplanänderungen. Das funktioniert natürlich nur, wenn man ein starkes Team hat – auch das Glück habe ich.
Ich bin ein Fan dieser flexiblen Arbeitseinteilung, so wie die meisten Arbeitnehmer und –geber, wenn man aktuellen Umfragen glauben darf. So sind nur noch knapp 10 % auf beiden Seiten von sehr starren Arbeitszeiten überzeugt. 65 % schätzen flexible Arbeitszeiten und 25 % setzen sogar auf eine selbstständige Einteilung auf Vertrauensbasis.
Freilich funktioniert das nicht überall. Im Restaurant wird es eher schwierig, dem Gast zu erzählen, dass Koch und Servicekraft spontan ans Meer gefahren sind. Und auch in der Notaufnahme wäre ein flexibler Dienst wohl eher halsbrecherisch. Es gibt eben Berufe, die über „9 to 5“ nur lachen können. Und das schon seit Jahren. Ihnen ringt das „Ich muss so viel arbeiten und ständig erreichbar sein“ wahrscheinlich nur ein müdes Grinsen ab. An dieser Stelle möchte ich den Menschen in all diesen Berufsfeldern meinen größten Respekt aussprechen: Die 24-Stunden-Dienst-Schieber. Die, die nachts arbeiten oder an Sonn- und Feiertagen. Menschen, die ihre Gesundheit oder sogar ihr Leben für uns riskieren. All´ ihr in der Gastronomie, Polizisten, Bus-, Bahn- und LKW-Fahrer, Ärzte, Sanitäter und Krankenschwestern, Feuerwehrleute, Sicherheitspersonal, Bestatter, Landwirte, Journalisten und ja -auch Mütter und Väter. Ihr seid für mich Rockstars!
Zurück zu den verschiedenen Arbeitsmodellen
Dort, wo es möglich ist, finde ich eine selbst bestimmte Zeiteinteilung ohne Anwesenheitspflicht hoch attraktiv. Ich bin der festen Überzeugung, je wohler sich ein Arbeitnehmer fühlt, desto bessere Leistungen bringt er. Je größer sein Spielraum ist, desto weiter denkt er. Gerade in kreativen Berufen ist es toxisch, eingeschlossen in grauen Wänden zu sitzen und zu verlangen, dass jeder zwischen 9 und 17 Uhr die tollsten Ideen hat. Jeder hat einen anderen „natürlichen“ Rhythmus.
Ich zum Beispiel bin kein Morgenmensch, mir kommen die tollsten Einfälle am Abend. Und dann nicht im Büro, sondern in der Natur.
Am schönsten finde ich daher das Modell, bei dem man nicht nur frei entscheiden kann wann, sondern auch wo man arbeitet. Stichwort „Grünes Büro“ – am See sitzen und Konzepte erstellen oder per Skype an Meetings teilnehmen. Das geht! Oder im Homeoffice seine Zeit selbst einteilen zu können und damit Arbeit und Familie viel besser koordinieren zu können – und ganz nebenbei die Umwelt schonen, weil man eben nicht täglich pendeln muss.
Gerade in den neuen Bundesländern ist hier noch viel Mut gefragt, um eben diese neuen Arbeitskulturen zu etablieren. Chefs, vertraut euren Mitarbeitern und andersherum: Mitarbeiter, enttäuscht das in euch gesetzte Vertrauen nicht! Mehr Lob, weniger Kritik, viel Offenheit und ein Hang zur Augenhöhe würden dem Arbeitsalltag gut tun.
Die Arbeitsnomaden sind auf dem Vormarsch
Einige sehr beeindruckende Muster hat da auch Thüringen schon vorzuweisen. Ich denke hier zum Beispiel an das KrämerLoft in Erfurt. Der Coworking Space in der Bahnhofstr. bietet individuelle „Arbeitsplätze“ an. Ein flexibles Büro, bei dem man die Möglichkeit hat, sich kurz- oder langfristig einzumieten. WLAN, Drucker etc. ist vorhanden. Egal, ob man nur einen halben Tag oder regelmäßig die Räumlichkeiten nutzen möchte – für alle „Coworker“ gibt es Modelle. Außerdem kann man sich so fluktuativ mit neuen „Kollegen“ vernetzen oder im Notfall sogar die Kids mitbringen, Spielzimmer sei Dank. Viele, die auf selbstständiger Basis arbeiten, nutzen diese Möglichkeit und profitieren von der Wohlfühlatmosphäre: Redakteure, Fotografen, Blogger, Ingenieure, Manager und Künstler. Die Gründerinnen Nicole Sennewald und Bianca Schön-Ott haben mit der Eröffnung 2017 voll ins Schwarze getroffen!
Flache Hierarchien und die Möglichkeit, theoretisch weltweit auf seine Unterlagen zugreifen zu können, macht die Arbeitswelt sehr viel dynamischer.
Allerdings bleibt festzuhalten, dass man bei aller Biegsamkeit feste Zeiten für Urlaub und Freizeit definieren und dann auch respektieren sollte.
Denn mehr Lebensqualität gewinnt man nur, wenn man auch mal wirklich abschalten kann – Geräte und Kopf.
Hier noch ein Link zu Dolly, wer unbedingt möchte 🙂
Hallo!
Ich finde auch, dass flexible Arbeitszeiten sehr vom Vorteil sind und auch eine gute Vertrauensbasis zwischen Chef und Arbeitnehmer absolut wichtig ist. Leider werde ich in meinem zukünftigen Beruf (ich habe vor Elementarpädagogin zu werden, bzw. irgendwas mit Kindern zu machen) diese Möglichkeit nur begrenzt haben :(.
Von dem KrämerLoft oder einem ähnlichen Unternehmen habe ich noch nie gehört, finde es aber wirklich super! Danke, dass du sowas näher gebracht hast!
Liebe Grüße,
Sarah
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Elementarpädagoge klingt spannend! 👌🏼 Und das KrämerLoft solltest du dir unbedingt mal ansehen 🙂
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