Mittelfingertag

Es gibt so Tage, da fehlen mir einfach die Worte. Zumindest die netten. Heute ist so einer. Wer einen harmonischen Text voller Liebe erwartet, sei gewarnt. Scroll weiter, wechsel den Tab, klick drüber. Was folgt, ist der Abriss eines doofen Tages – nagut, Tagesstarts – im Mantel diverser Schimpftiraden rohrspatzigster Güte.

Ich wache auf. Seit gestern ist mein rechtes Auge aus unerfindlichen Gründen angeschwollen. Ich sehe aus, als würde ich skeptisch gucken. Die ganze Zeit. Am heutigen Morgen ist das noch nicht besser. Ich schaue immer noch skeptisch, vor allem auf den herbstlichen Nebelsud da draußen. Ich entscheide mich, trotzdem aufzustehen.

Fehler.

Ich bin gerade in einer „Ich-finde-alles-doof-und-am-allermeisten-mich-Stimmung“. Dann sitze ich in meinem Batman-Jumpsuit zuhause und schmolle. Was mir hier meist geholfen hat, war sportliche Betätigung. Also ringe ich mich dazu durch, mir mein Laufkostüm anzuziehen und joggen zu gehen.

Fehler.

Ab diesem Zeitpunkt lief es einfach nur noch ka**e. Es beginnt damit, dass ich mein aktuelles Lieblingslied nicht auf meine Playlist bekomme. Nagut. Ich stöpsel mir trotzdem die In-Ears ein, starte Runtastic und laufe los. In den ersten Schritten will ich meine Pulsuhr starten. Die allerdings ist der Meinung, dass 10 % Akkuleistung nicht für mein Training reichen. Statt zu starten verbraucht sie die verbleibende Energie, um mir den Tipp zu geben, sie vor dem Training zu laden. Danke! Ich bin noch keine 500m gelaufen, da wird mein rechtes Knie wütend. Weil es nicht reden kann, macht es mir das durch kleine piekende Nadelstiche deutlich. Bei. Jedem. Schritt.

Das Kabel der Ohrhörer schlägt mir in selbem Takt immer wieder gegen die Wange. Die Mütze rutscht über meinen Zopf ständig nach oben und legt dadurch die Ohren frei. Es sind kleine Ohren, weshalb auch die In-Ears nicht richtig halten und immer wieder rausrutschen. Ich fange an, richtig angefressen zu sein. Dadurch wird mir zusätzlich warm. Ich fange an zu schwitzen. Aber nur obenrum, an die Beine ist mir kalt. Vielleicht sind die deshalb unkoordiniert und ich trete so bescheuert auf, dass ich umknicke. Nicht nur einmal.
Ich kenne die Strecke und wundere mich deshalb, warum mich die freundliche Runtastic-Dame nicht über das Erreichen des ersten Kilometers informiert. Als ich das Handy aus der Tasche krame, sehe ich, dass es sich eine Sekunde vor Start aufgehangen hat. Eine Berührung des Displays und die Eule im Handy sagt: „Aktivität gestartet“. SAG BLOSS! Währenddessen stakse ich durch Schlamm und Pfützen, NATÜRLICH habe ich nicht meine Trailschuhe an. Die stehen gemütlich zuhause an der Heizung. Da sollte ICH sein! ICH!!

Ich bleibe zum ersten Mal stehen und frage mich was dieser Mist soll. Ich will heim. Ein Blick zurück: nochmal durch den Matsch? Och nö. Also weiter. Logisch, dass jetzt der Anstieg kommt. Meine Lunge steht in Flammen. Ich denke mit Stirnkräuseln an den gestrigen Geburtstagskuchen meiner Mama. Der war lecker, aber jetzt lacht er mich aus. Ich bleibe zum zweiten mal stehen. Meine Motivation hockt wie ein bockiges Kind mit verschränkten Armen in der Ecke und guckt seine Geschwister Freude und Optimismus böse an. Die sind so verschreckt, dass sie anfangen zu flennen und nach Mami rufen. Ich laufe nicht hoch, ich gehe hoch. Zum einen, weil ich kaum Luft kriege. Zum anderen, weil ich die Luft brauche, um zu fluchen. Wenn mich jetzt jemand sieht, schwebt über meinem Kopf vermutlich diese Sprechblase:

comic-fluch-maenner-t-shirt
Quelle: Spreadshirt

Ich hab keine Lust mehr. Wer hatte diese bekloppte Idee, ein Ründchen laufen zu gehen, um den Kopf frei zu bekommen. So ein Sche**s-mi*t-f**-Einfall! AAHAHAHHAHAHAAHAHAHAHAHAHAAHAHAHAHAHAHAHAHAHAAH.

Ok. Ich muss mich kurz beruhigen.

Oben am „Berg“ fange ich wieder an zu laufen. Die überaus hämische Runtasticstimme flüstert mir die Zeit pro Kilometer. Eigentlich will sie sagen „Wie schlecht bist du denn bitte?“, aber das darf sie nicht. Ich bin so wütend auf mich und mich und mich und den Tag, dass ich die nächsten Kilometer in 5min45 laufe. Die Dorfkatze sieht mich mit großen Augen an, bevor sie flüchtet. Wer kann es ihr verübeln. Ich klinge wie eine schnaufende Dampflok. Selbst der Nachbarshund (Pitbull) bellt heute nicht, sondern legt schweigend den Kopf schief, als würde er denken „Mit der leg ich mich heute lieber nicht an“.

Froh, endlich Zuhause zu sein, klingele ich. Natürlich habe ich keinen Schlüssel mit. Natürlich ist B. gerade duschen. Natürlich hebt das meine Laune in neue Sphären.

Der Gang unter die Dusche: ein voller Erfolg. Das Wasser ist – ÜBERRASCHUNG – kalt.

Mein Gesicht ist ein Knoten.

B. geht vorsichtshalber anderweitigen Terminen nach, die sich mindestens 10km von mir entfernt befinden. (Ich kann ihn verstehen). Ich bin eine Bockmöhre. Eine garstige Hobbitfreckelbockmöhre und finde jetzt noch mehr alles doof, als vor dem Laufen.

Wenigstens mache ich mir etwas gesundes zu essen: Chicorée ab in die Pfanne. Hab ich noch nie probiert, sonst hätte ich wahrscheinlich gewusst, dass er unter bestimmten Umständen bitter wird. Der Umstand heute: SCHE**STAG. Man hätte vorher großzügig den Strunk abschneiden und den Chicorée für eine halbe Stunde in Salzwasser stellen können, um Bitterstoffe zu entfernen. Kein schlechter Tipp.

Es ist gerade mal Mittag. Der Tag kann noch einige Möpmomente für mich bereit halten. Wenn mich wer sucht: ich stell mich mal ´ne halbe Stunde in Salzwasser.

 

 

 

2 Gedanken zu “Mittelfingertag

  1. FriSi sagt:

    … ach Liebes… ich hoffe deinem Skepsis-Auge geht es wieder besser!
    Es tut mir leid, aber spätestens bei dem Punkt „Duschen“ musste ich so lachen… ich weiss, es ist gemein, aber die Vorstellung von deinem „Knoten-Gesicht“ ist wirklich putzig… und vor allem finde ich es lustig, weil ich ab und zu so einen Tag hatte. Oder habe. Ich kenne das nur zu gut, wenn wirklich ALLES schief läuft… an irgendeinem Punkt muss ich immer anfangen zu weinen. Dann irgendwann, wenn mein Freund versucht mich zu trösten, obwohl alles, was er bisher an dem Tag gemacht hatte, irgendwie falsch war und ihm dazu noch tausende alte Sachen vorgeworfen wurden, muss ich selber bisschen schmunzeln oder sogar darüber lachen. Er kennt es so gut und berichtet mir so lieb auf so eine kindliche Art „och, hat jemand heute wieder so einen schrecklichen Tag an dem alles doof ist? Und dieser Tisch ist doof, und hier die blume auch vooooll doof…“. Das beruhigt so sehr, dass jemand so viel Veständnis dafür hat. Das ist so viel wert… das hat sonst immer nur Mama verstanden…

    Kopf hoch… irgendwo auf der Welt gibt es noch paar Mädels, die unter der kalten Dusche stehen und sie beschipfen! *!?!*#*%!?!!!!

    Gefällt 1 Person

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