Ich bin dann mal da.

Wie schnell doch so ein Urlaub verfliegt. Sommer, Sonne, Palmen, Meer …

Ach nee, stimmt nicht ganz. Meer schon, aber eher so: Eisbär, Regen bei 2°C und Wasser. Jede Menge Wasser. Nicht nur von oben, sondern auch und vor allem: um uns. So eine Schifffahrt hat ihre Reize, ist aber noch mal ein ganz anderes Lebensgefühl – vom Stadtmädchen, zur Landfrau, zur Schiffsratte. Stadt, Land, Meer sozusagen.

Eines kann ich zumindest sagen: ich habe mich noch NIE so gefreut, aus dem Urlaub wieder da zu sein. Nicht, weil es nicht schön war, sondern weil es im „neuen“ Zuhause noch viel schöner ist. Jedenfalls für mich. Nach fast zweieinhalb Jahren, die ich nun schon „out of town“ bin, fühlt es sich tatsächlich manchmal noch wie Urlaub an. Vor allem im Sommer. Manchmal kann ich mein Glück kaum fassen. Nur wenige Schritte braucht es, um von meinem Bett mit noch nackten Füßen im eigenen Gras zu stehen. Zerwuselt, ungeschminkt und im Schlafoutfit kann ich schweigend den Morgentau an meinen Zehen kitzeln lassen. Nur darauf konzentrieren, wie sich das anfühlt und langsam die Schwelle von Traumgedankenfabrik zur Realität überschreiten. Ohne dass mir auch nur ein Mensch begegnet ist, der irgendeine Reaktion von mir erwartet. Aktuell nur ein Hund: Sammy. Die quirlige Hündin meiner Trainerin Thess, die zur Zeit ihrerseits im Urlaub weilt, macht bei uns solange Hundeferien.

Sammy

 

Versteht mich nicht falsch, ich mag Menschen. Aber manchmal mag ich auch das Gefühl, nur mit mir selbst zu sein.

Die Synapsen arbeiten dann noch langsam und verarbeiten nur die Empfindungen.
Wie die ersten warmen Sonnenstrahlen des Tages auf meine geschlossenen Augenlider fallen.
Wie ein lauer Wind die Haarsträhnen von meiner Schulter weht.
Das Holz der Terrasse unter meinen Füßen.
Warme Steinplatten unter meinen Füßen.
Nasses Gras unter meinen Füßen.
Nacktschnecken unter meinen Füßen.

(Ab dem Moment sagt die erste Synapse: „Ähm. Ich will nicht nerven so früh. Echt nicht. Aber mach bitte die Augen auf. Das ist nämlich echt eklig, dieses glitschige Ding zwischen den Zehen.“)

Und ich öffne sie gern, meine Augen. Denn was ich sehe, wenn ich mich (nun zumindest umgezogen) mit Sammy zum ersten Spaziergang des Tages aufmache ist viel zu schön. Maisfelder, soweit das Auge reicht. So hoch, dass ich darin verschwinden würde. Das warmsanfte Gelb der bereits beernteten Getreidefelder. Kleine, mutig-aggressive Feldhamster, die sich ihren Platz auch von einem 10 mal so großen Hund nicht streitig machen lassen.
Ich höre das unlokalisierbare Zirpen der Grillen, das halbtrockene Gras beim Laufen knistern, in der Ferne ein Rasenmäher – der Soundtrack des Sommers. Ich laufe und sauge all das in mich auf. Ich muss mit niemandem reden, höre keine Hektik, rieche keinen grauen Berufsverkehrstadtnebel, nur den süßen Duft der Natur. Ich pflücke mir einen Apfel vom Baum am Wegesrand und denke darüber nach, wie unfassbar schön das alles ist.

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Im Urlaub sind B. und ich das ein- oder andere Mal sehr früh aufgestanden, weil es „etwas Besonderes“ zu sehen gab. Und ich frage mich unwillkürlich, warum macht man das nicht auch zu Hause? Warum immer den gleichen Alltagstrott leben. Warum jeden Morgen um dieselbe Uhrzeit aufstehen, denselben Ablauf abspulen.

Warum nicht mal eine Stunde eher aufstehen und spazieren gehen? Warum nicht mal einen anderen Weg zur Arbeit nehmen? Oder mal mit der Bahn, statt dem Auto fahren. Warum nicht mal einfach JA sagen, wo man sonst NEIN sagt. Warum nicht mal einfach aus der eigenen Routine ausbrechen? Und wenn es nur im Kleinen ist. Ich bin mir sicher, auch dann gibt es „etwas besonderes“ zu sehen, zu erleben.
Jeden Tag laufen wir wie eine aufgezogene Uhr und verpassen dabei so viel. Vor allem eins: Uns selbst. Unser Leben. Dieses eine.

Natürlich können wir nicht immer einfach die Zeit Zeit sein lassen. Aber wir können entscheiden, wie wir sie nutzen.

Deshalb: fangt an und macht morgen einfach mal etwas ganz anders als sonst. Ich bin mir sicher, es lohnt sich.

Euer Stattstadtmädchen (und Sammy)

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3 Gedanken zu “Ich bin dann mal da.

  1. Sebastian sagt:

    Es liest sich schön, und ist doch so traurig… Menschen gewöhnen, und Menschen vergessen…
    worauf es ankommt und was zählt, scheinen zufrieden und sind doch gequält, jeder Tag kann Urlaub sein, dafür braucht’s kein Reiseschein, nur Augen die mit Röntgenstrahlen, mit Gefühlen statt mit Zahlen, ganz bescheiden statt zu prahlen, die Welt in einer Art betrachten, wo nach Habgier sie nicht trachten, noch nach Neid nach Wut nach Hass, dann kommt die Liebe, kommt der Spass…
    Es wird einem viel zu selten bewusst zu was für einem aufgezogenen Uhrwerk man manchmal reduziert wird. Die Augen öffnen sich meisst erst dann, wenn man einen wundervollen Urlaub erlebt wie im obigen Text, oder man etwas verliert dass einem aus dem Leben reisst, wie in meinem Falle. Macht immer etwas anderes! Verharrt nicht in alten Strukturen, seid kreativ, gewöhnt euch nicht, lebt!

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