Nein, dies wird keine Hommage an Rooooobärt und seine Carmen. Das was ich während diversen TV-Sender-Fluchtversuchen von ihrem Lifestyle mitbekommen habe, könnte konträrer zu meinem kaum sein. Ich hab nämlich keinen.
Lifestyle. Was soll das eigentlich sein? Ich bin ab und an schon überfordert, mir die Haare zu stylen – ein ganzes Leben? Anstrengend! Ich glaube, das Leben nach einem Stil auszurichten schränkt einen doch ganz schön ein. Ich bin daher geneigt, mich treiben zu lassen und mich manchmal selbst zu überraschen.
Auf meinem Turnbeutel steht: I am not afraid of storms, for I am learning how to sail my ship. (Danke für das tolle Weihnachtsgeschenk Christinanna ❤ )
Dass mein Seelenschiff mich irgendwann mal zu einem Landfan macht, hätte man mir vor 10/12 Jahren nicht erzählen brauchen. Aber: Überraschung! Jetzt bin ich ein Stattstadtmädchen und ziemlich glücklich damit. Also wer weiß, vielleicht bin ich in weiteren 10 Jahren wasserstoffblond und sitze mit Glitzer-T-Shirts auf einer Yacht.
Wobei mich das schon SEHR überraschen würde. Aber hier soll`s ja nicht um Carmen gehen, sondern um … naja fast. Es geht um Ziegen. Im weitesten Sinne. Geißen. Oder eben in der Schweizer Schreibweise: Geissen.
Während ich nämlich immer mit einem Augenzwinkern von meinem ach so ländlichen neuen Zuhause berichte, habe ich bislang verschwiegen, dass die Stadtflucht in der Familie liegt. Mein Bruder (übrigens nachweislich der Beste auf der Welt) lebt mit seiner Familie seit einigen Jahren in der Schweiz. Seit gut 2 Jahren haben sie das ganze auf die Spitze getrieben. Im wahrsten Sinne. Sie wohnen auf knapp 1.100 m Höhe in einem Appenzeller Holzhaus.
Wenn man dem kleinen Holzschild an der Hauswand glauben darf, steht es dort bereits seit 1676. SECHZEHNHUNDERTSECHSUNDSIEBZIG!!!
Newton war damals etwa so alt wie ich jetzt, J.S. Bach & Vivaldi waren noch Quark im Schaufenster und Ludwig XIV war (Sonnen)König von Frankreich. Das Zuhause meines Bruders und das Schloss Versailles wurden somit – großzügig betrachtet – gleichzeitig errichtet.
Ich vermute, damit hören die Gemeinsamkeiten auch auf. Es ist zumindest anzunehmen, dass die Raumhöhe in Versailles die hiesigen 1.85m übersteigt. Nein, ich habe mich nicht verschrieben! Ja, wenn du über 1.80m bist, musst du dich bücken. Die ganze Zeit 🙂 HA! Endlich bin ich auch mal im Vorteil. Wobei selbst ich mich schon mehr als einmal am Türrahmen gestossen habe – und ich bin keine 1.60m!
Geheizt wird mit Feuer. Ein Ofen in der Küche, der mit dem Kachelofen im Wohnzimmer verbunden ist, und einer in der 2. Etage. So richtig mit Holz. Da kann man die menschlichen Urinstinkte (Achtung, richtige Trennung im Lesefluss: Ur-Instinkte) so richtig ausleben. Ich warte im Grunde jedes Mal darauf, dass sich B. auf die Brust trommelt, nachdem er Feuer gemacht hat. Innerlich macht er das ganz sicher.
Der Ausblick aus dem Bad ist ein Einblick in die Natur und wenn es ordentlich schneit (und das macht es hier häufiger) dann kannst du getrost dein Auto auf dem 15min entfernten Parkplatz unten im Dorf stehen lassen, sofern du nicht jedes Mal mit Schneeketten hantieren willst. Dann werden die Einkäufe auch gern mal mit dem Schlitten nach oben gezogen.
Das herrlichste sind für mich jedoch die Mitbewohner: Zwergziegen.
Sechs an der Zahl wohnen im Keller. Und so schlau wie sie immer gucken, vermutlich auch schon seit 1676. über die Jahre haben sie sich zudem optimal an die Raumhöhe angepasst. Sie sind sehr wahrscheinlich die einzigen Bewohner, die sich noch nicht an irgendwas gestossen haben. Früher vielleicht, und deshalb haben sie jetzt Hörner.

Ich bleibe deshalb immer nur ein paar Tage zu Besuch. Ich habe schlicht Angst, dass meine Beine noch kürzer werden und mir Hörner wachsen (oder die vorhandenen zutage treten).
Dieser Ort ist mein Refugium. Meine Seelenoase.
Ich wünsche jedem, dass er so einen „Ort“ hat. Das kann das eigene Zuhause sein. Oder die Anwesenheit eines Freundes. Ein Sonnenstrahl im Gesicht oder das „sich-verlieren“ in einem Hobby.
Ich liebe es, hier durch die Gegend zu spazieren. Den Wind auf der Haut, ein unwillkürliches Lächeln im Gesicht. Nur ein entferntes Rauschen des pulsierenden Lebens dringt an mein Ohr. Das macht den Kopf frei von dunklen Wolken und schafft Platz für Kreativität. Und es macht einem deutlich, was wirklich wichtig ist: gesund zu sein und Herzmenschen an seiner Seite zu haben. Alles andere ist ersetzbar.
In diesem Sinne: findet euer eigenes Versailles!
Immer wieder schön zu lesen!!!
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Danke 🙂
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